Kommunalaufsicht fordert die Gemeindeverwaltung zur Einhaltung der Gemeindeordnung auf

Einmal mehr musste die Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamtes die in der Gemeinde Ostrach praktizierten Verfahrensweisen auf ihre Gesetzmäßigkeit hin überprüfen.
Anlass dazu waren die Bekanntgaben oder Nicht-Bekanntgaben von Beschlüssen aus nichtöffentlicher Sitzung des Gemeinderates und die Verhandlungsgegenstände bzw. die nicht aufgeführten Verhandlungsgegenstände auf den Tagesordnungen der Ostracher Gemeinderatssitzungen.
Am 28. Januar 2022 habe ich die Rechtsaufsicht über die fragwürdigen Verfahrensweisen der Gemeinde Ostrach informiert und um eine Überprüfung des Sachverhaltes gebeten.

Im Folgenden teile ich mein Schreiben an die Kommunalaufsicht und die Antwort der Kommunalaufsicht in diesem Blogeintrag vollständig mit. Ich erlaube mir am Schluss eine kurze Einschätzung.

Schreiben an die Kommunalaufsicht vom 28. 01. 2022:
 … am 24. Januar 2022 habe ich den Bürgermeister der Gemeinde Ostrach, Herrn Christoph Schulz, per E-Mail aufgefordert, die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse entsprechend der Gemeindeordnung §35,1 zu veröffentlichen: „Die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung vom 17. 01. 2022 sieht im TOP 2 die Bekanntgabe von Beschlüssen aus nichtöffentlicher Sitzung vor.
Diese Beschlüsse werden in dem ‚zusammenfassenden Bericht‘ auf der Homepage der Gemeinde nicht mitgeteilt. Dies trifft ebenfalls auf die Gemeinderatssitzung vom 15. 12. 2021 zu. Auch hier werden die Beschlüsse nicht mitgeteilt, obwohl TOP 1 Bekanntgabe von Beschlüssen aus nichtöffentlicher Sitzung enthält.“
Ich habe den Bürgermeister ausdrücklich darauf hingewiesen, dass GemO §35,1 in Verbindung mit GemO §41b,5 verbindlich festschreibt, dass die Beschlüsse nichtöffentlicher Sitzungen „in der nächsten öffentlichen Sitzung im Wortlaut bekannt zu geben“ sind.
Bürgermeister Schulz teilte mir darauf Folgendes mit: „Den Top „Bekanntgabe“ nehmen wir vorbeugend regelmäßig in die Tagesordnung auf. Genutzt werden kann er nur, wenn es tatsächlich für die Öffentlichkeit geeignete Beschlüsse gibt. Dies war in den von Ihnen genannten Sitzungen nicht der Fall. Dies wird auch in Zukunft immer wieder so sein. Ich sehe dabei keinen Verstoß gegen die Gemeindeordnung. Ich bitte um Verständnis.“
Ich kann diese Verfahren nicht nachvollziehen und sehe hier einen Verstoß gegen die Gemeindeordnung des Landes und mit Verlaub einen Verstoß gegen jede Logik. Hier wird wider besseres Wissen prophylaktisch („nehmen wir vorbeugend regelmäßig in die Tagesordnung auf“) ein Tagesordnungspunkt aufgeführt, der auf der Tagesordnung nichts zu suchen hat, hat doch eine nichtöffentliche Sitzung überhaupt nicht stattgefunden. Eine vorbeugende Regelmäßigkeit hat auf einer Tagesordnung für eine Gemeinderatssitzung nichts zu suchen. Sie führt die Öffentlichkeit in die Irre.
Mehr als einmal habe ich Herrn Schulz deshalb schon aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Beschlüsse aus nichtöffentlicher Sitzung der Öffentlichkeit mitzuteilen sind. Trotz „vorbeugendem Tagesordnungspunkt“ wurden die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse nämlich nicht veröffentlicht. Sie wurden zu einem sehr viel späteren Zeitungpunkt der Öffentlichkeit mitgeteilt.
Da mir der Bürgermeister der Gemeinde Ostrach mitteilt, dass diese Verfahrensweise „auch in Zukunft immer wieder so sein“ wird, ist es m. E. Aufgabe der Kommunalaufsicht, hier für ein gesetzmäßiges Verfahren zu sorgen, wie es die Gemeindeordnung vorsieht.

Mehr als fragwürdig wird das Verfahren, wenn auch Baugesuche „als Platzhalter ohne tatsächliche Vergabe an diesem Abend“ (Mail des Bürgermeisters) regelmäßig auf der Tagesordnung geführt werden. „Bisher konnten wir durch diese Regelung gerade auch kurzfristig eingegangene Baugesuche rasch behandeln (gut für den Bauherrn) oder anstehende Vergaben kurzfristig noch entscheiden (gut für den Fortgang von kommunalen Bauprojekten)“, so die Mitteilung des Bürgermeisters auf meinen Hinweis, dass Baugesuche ja wohl kaum „vorbeugend“ als Tagesordnungspunkt geführt werden dürften. Die Gemeindeordnung schreibt ja wohl in §34, 1 vor, dass der Bürgermeister „rechtzeitig, in der Regel mindestens sieben Tage vor dem Sitzungstag, die Verhandlungsgegenstände mitteilt; dabei sind die für die Verhandlung erforderlichen Unterlagen beizufügen…“ Von „kurzfristig“ ist hier nicht die Rede, auch nicht von „vorbeugend“. Ich darf wohl davon ausgehen, dass Gemeinderäte nicht „kurzfristig eingegangene Baugesuche rasch behandeln“, sondern sich anhand der Beratungsunterlagen eingehend informieren müssen.
Auch in diesem Zusammenhang (Baugesuche) ist das Verfahren wie bei der Bekanntgabe von Beschlüssen aus nichtöffentlicher Sitzung mehr als fragwürdig und bedarf eine Abklärung durch die Kommunalaufsicht.

Antwortschreiben der Kommunalaufsicht vom 21. Februar 2022
Sehr geehrter Herr Schreijäg,

in der Zwischenzeit haben wir die Stellungnahme von der Gemeinde Ostrach erhalten und den Sachverhalt überprüft. Zu Ihrer Email vom 28.01.2022 dürfen wir Ihnen folgendes mitteilen:
Gemäß § 35 Absatz 1 Gemeindeordnung (GemO) sind Beschlüsse aus der nicht-öffentlichen Sitzung in der nächsten öffentlichen Sitzung bekannt zu geben, sofern nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen. Damit die Gemeinde Ostrach diesen gesetzlich verankerten Grundsatz beachtet, enthält die Tagesordnung immer den Punkt „Bekanntgabe von Beschlüssen aus der nicht-öffentlicher Sitzung“. Von unserer Seite aus kann kein Verstoß gegen § 35 Absatz 1 GemO festgestellt werden. Es ist durchaus üblich, dass in nicht-öffentlicher Sitzung keine Beschlüsse gefasst werden, entsprechend kann keine Bekanntgabe erfolgen. Der Tagesordnungspunkt „Bekanntgabe von Beschlüssen aus nicht-öffentlicher Sitzung“ dient dennoch der Transparenz der Gemeinderatsarbeit, da somit auch die Information weitergegeben wird, dass keine Beschlüsse gefasst worden sind.

Laut VwV zu § 34 GemO muss die Tagesordnung die Verhandlungsgegenstände vollständig und mit zutreffender Bezeichnung enthalten. Laut Kommentar zur GemO (Aker, Hafner, Notheis) genügen allgemeine Angaben oder Sammelbezeichnungen wie „Grundstücksangelegenheiten“ oder „Bausachen“ diesen Anforderungen nicht. Eine zutreffende Bezeichnung wird mit der allgemeinen Überschrift „Baugesuche“ nicht getroffen, sofern keine Präzisierung der Baugesuche vorgenommen wird. Wir werden die Gemeinde Ostrach auffordern, die Baugesuche zu präzisieren, auch wenn dies zur Folge hat, dass keine kurzfristigen Baugesuche mehr behandeln zu können.
Für ein weiteres kommunalrechtliches Einschreiten sehen wir aus obenstehenden Gründen derzeit keinen Anlass.

Persönliche Einschätzung
Die Rechtsaufsicht kommt bei der Bekanntgabe von Beschlüssen aus nichtöffentlicher Sitzung (GemO § 35 in Verbindung mit GemO § 41b, 5) zu dem Ergebnis, dass der Tagesordnungspunkt „Bekanntgabe von Beschlüssen aus nichtöffentlicher Sitzung“ der Transparenz der Gemeinderatsarbeit diene, „da somit auch die Information weitergegeben wird, dass keine Beschlüsse gefasst worden sind.“
Es muss also der Öffentlichkeit auch mitgeteilt werden, dass keine Beschlüsse gefasst worden sind.
Dies dient zur Klarheit. Rückfragen, ob Beschlüsse gefasst wurden, erübrigen sich somit. Inzwischen scheint die Gemeindeverwaltung dies so zu handhaben, kann man doch im sog. Ratsinformationssystem bei der Bekanntgabe der Beschlüsse vom 07. 02. 2022 lesen, dass es keine für die Öffentlichkeit geeigneten Beschlüsse gegeben habe.

Bei den Verhandlungsgegenständen auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung (GemO § 34) ist die in Ostrach praktizierte „Platzhaltertheorie“ nicht zulässig. „Die Tagesordnung muss die Verhandlungsgegenstände vollständig und mit zutreffender Bezeichnung enthalten“ (so auch u. a. die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Gemeindeordnung für Baden-Württemberg). „Vorbeugende“ Tagesordnungspunkte um Baugesuche kurzfristig und rasch zu behandeln, sind nicht zulässig.
„Andererseits soll sie (die Tagesordnung) den interessierten Bürger informieren, worüber der Gemeinderat tagt. Er soll auf Grundlage der Tagesordnung entscheiden können, ob er an der Sitzung teilnehmen möchte oder nicht. Dementsprechend müssen die Gegenstände der Beratung und der Beschlussfassung zutreffend und hinreichend genug bezeichnet sein, damit sich die angesprochenen Personen ein Bild machen können, worüber verhandelt wird. Aus diesem Grunde ist der auf Tagesordnungen häufig anzutreffende Punkt „Verschiedenes“ mit Zurückhaltung zu betrachten.“ (https://www.juracademy.de/kommunalrecht-baden-wuerttemberg/gemeinderatssitzung.html)

Bleibt zu hoffen, dass die Entschlusskraft und die Verantwortungsfreudigkeit der Gemeinde Ostrach durch die Rechtsaufsicht nicht beeinträchtigt wurden (GemO § 118, 3).

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