Flächenversieglung in der Gemeinde Ostrach oder aus Drei mach Eins

Und mit Geistesstärke
Tu‘ ich Wunder auch
.

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Eigentlich bedarf diese Tabelle keines weiteren Kommentars. Sie spricht für sich. Der Ordnung halber und zur Veranschaulichung seien einige Überlegung angeführt.
Die Standardgröße eines Fußballfeldes beträgt 0,714 ha. Die Summe der Bauflächen entspricht somit 38 Fußballfeldern. Die Summe der Gewerbeflächen entspricht 28 Fußballfeldern. Eine Fläche im Umfang von 66 Fußballfeldern haben Ostrachs Gemeinderäte somit in letzter Zeit zur Versieglung freigegeben. In diesem Sinne ein dreifaches Hip Hip, Hurra! Der Kiesabbau umfasst 274 Fußballfelder. Aber die werden ja wieder renaturiert. Vielleicht. In den nächsten vierzig Jahren. Aber das ist ja alles kein Problem. Flächen wachsen ja nach wie Äpfel auf den Bäumen.

Geht es um die Abstimmung über Bebauungspläne in Ostrachs Gemeinderat, so finden wir in den Sitzungsvorlagen die folgende Standardformulierung beim Aufstellungsbeschluss nach § 2(1) BauGB: Durch die Umnutzung weiterer aktuell landwirtschaftlich genutzter Flächen kann die Bereitstellung zusätzlichen Wohnbaulandes … ermöglicht werden.
Zur Erinnerung: Die gleichen Gemeinderäte und Ortsvorsteher, Ostrachs Agrarlobby, die in ihren Stellungnahmen zum Regionalplan sich unisono beklagten, dass ihnen hochwertiges Ackerland durch eine mögliche Naturschutz- und Landschaftspflege nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung stehe, dass sie sogar „kalt enteignet“ würden, haben jetzt kein Problem, ihr hochwertiges Ackerland als Wohnbauland zur Verfügung zu stellen. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt!

13b BauGB heißt die Zauberformel, nach der Ostrachs Gemeinderat von 2017 bis 2019 insgesamt 15 Bauflächen im beschleunigten Verfahren durchgepeitscht hat. Der Grund? U. a. die steigende Nachfrage nach Bauplätzen. Alle wollen sie nach Ostrach; vom Bodensee, von Ravensburg, von Stuttgart und von Reykjavik. Nur komisch, dass andere Gemeinden genauso argumentieren. „Auch dürfen pro Gebiet nicht mehr als 10 000 Quadratmeter Wohnfläche bebaut werden. Dafür sind die umweltrechtlichen Vorgaben geringer, etwa müssen keine Ersatz- und Kompensationsflächen geschaffen werden“, schreibt die Schwäbische vom 11. 12. 2019. Der Landesnaturschutzverband fasst das etwas genauer zusammen: „Es gilt nicht die Verpflichtung zum Ausgleich von Eingriffen in den Naturhaushalt. Es muss keine formale Umweltprüfung erfolgen und kein Umweltbericht erstellt werden. Der Plan muss nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden.“

10 000 Quadratmeter Wohnfläche? Grundfläche bitte sehr! 1 Hektar? Waldbeuren „Kirchgasse“ und Ostrach „Buchbühl“ und „Waldblick“ sind doch je 3 ha. Und jetzt kommt die Zauberformel oder Aus Drei mach Eins, das ist das Hexen-Einmaleins. GRZ heißt die Zauberformel, Grundflächenzahl nach § 17 Baunutzungsverordnung. Und das geht z. B. so: 3 ha „Waldblick“ x 0,4 Grundflächenzahl bei reinen Wohngebieten = 1,2 ha Grundfläche. Und da Straßen und Wege nicht berücksichtigt werden, kriegen wir die 0,2 ha auch noch weg und die Rechnung stimmt allemal. Aus Drei mach Eins, das ist das Hexen-Einmaleins. Und jetzt funktioniert das beschleunigte Verfahren nach § 13b BauGB. Und ab geht die Post. Am 31. Dezember 2019 läuft das Verfahren aus; deshalb verabschieden doch Ostrachs Gemeinderäte am 18. Dezember noch ganz schnell 5 Bebauungspläne im Umfang von 8 ha. An der Tatsache, dass jeweils ein Flächenverbrauch von 3 Hektar, wie in unserem Beispiel, zu Buche schlägt, ändert das allerdings nichts. In Ostrach also insgesamt 27,14 ha oder 38 Fußballfelder, da hilft kein Hokuspokus.
In Rottweil-Bühlingen wirft eine junge Stadtplanungsstudentin in diesem Zusammenhang dem Gemeinderat Verantwortungslosigkeit vor, berichtet Karin Burger in ihrem Blog SatireSenf. Zu Recht kritisiert die junge Frau in einem Leserbrief in der Neuen Rottweiler Zeitung den Flächenverbrauch. Werden doch jeden Tag 66 Hektar Fläche in Deutschland verbraucht. 33 739 Fußballfelder hätten auf der jährlich verbrauchten Fläche Platz. Heftige Kritik an dem beschleunigten Verfahren übt ebenfalls der Landesnaturschutzverband in seiner LNV-Info 2/2019, auf die SatireSenf ausdrücklich hinweist.

Das kursive Eingangszitat stammt übrigens aus Goethes „Zauberlehrling“. Die Geschichte ist bekannt. Der übermütige Lehrling wird der Situation nicht Herr: „Die ich rief, die Geister, / Werd‘ ich nun nicht los.“ Der alte Meister muss das Problem lösen. Er macht dem Spuk ein Ende. Ob es den Meister in Ostrach wohl auch gibt?

Diesmal etwas früher als sonst:
Wir sagen euch an den lieben Advent.
Sehet, die vierte Kerze brennt.

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