Jetzt ist es fast amtlich, also fast – im Staatsanzeiger steht es noch nicht. Aber auf Ostrachs Facebookseite und im Mitteilungsblatt vom 19. Januar:
„Ostrach – Vielfalt. Leben. Sein.
Die Stelle des/der hauptamtlichen Bürgermeisters / Bürgermeisterin (m/w/d) der Gemeinde Ostrach ist infolge Ablaufs der Amtszeit des bisherigen Amtsinhabers und dessen Wechsel in eine andere Tätigkeit neu zu besetzen. Der derzeitige Stelleninhaber bewirbt sich nicht wieder…“
Aber man konnte es ja schon vorher erfahren :
„Bekanntgabe der Beschlüsse aus öffentlicher Sitzung vom 19. 12. 2022
Der Termin für die Bürgermeisterwahl wird vom Gemeinderat auf Sonntag, den 25. Juni 2023 und der Tag einer evtl. Neuwahl auf Sonntag, den 09. Juli 2023 festgelegt.“
Und natürlich aus der Presse: „Zum Ende der aktuellen Wahlperiode werde er ab dem 1. September kommenden Jahres als hauptberuflicher Geschäftsführer bei der Stiftung Pfrunger-Burgweiler Ried eine neue Herausforderung beginnen, so Schulz. ‚Ich freue mich auf meine neue Tätigkeit, nämlich Verantwortung für unser großes Naturschutzgebiet zu übernehmen‘ “, schreibt die Schwäbische Zeitung vom 23. 11. 2022
Also der derzeitige Stelleninhaber bewirbt sich nicht wieder. Er wird hauptberuflicher Geschäftsführer der Stiftung Pfrunger- Burgweiler Ried. Man musss das zwei Mal schreiben. Man glaubt es sonst kaum. Pfrunger-Burgweiler Ried, also Naturschutz par excellence. „Stiftungszweck ist laut Satzung die Förderung und Unterstützung des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Pfrunger-Burgweiler Ried. Darin eingeschlossen ist die Übernahme einer Trägerschaft für ein Naturschutz-Großprojekt im Pfrunger-Burgweiler Ried.“
Zu dieser neuen Tätigkeit, bei der Ostrachs noch amtierender Bürgermeister demnächst „Verantwortung für unser großes Naturschutzgebiet“ übernehmen will, fallen einem nur noch zwei sprichwörtliche Redensarten ein. Wird hier der Bock zum Gärtner gemacht oder wird hier ein Saulus zum Paulus?
Wenn dann Ostrachs ehemaliger hauptamtlicher Bürgermeister hauptberuflicher Geschäftsführer einer Naturschutzstiftung ist, eines Naturschutz-Großprojekts, kann er auf eine Tätigkeit zurückblicken, in der er allein im Zeitraum von 2017 bis 2019 Flächenversiegelungen im Umfang von 27 Hektar vorwiegend für Einfamilienhäuser im Schnellverfahren nach §13b BauGB bewerkstelligt hat. Er kann auf eine Tätigkeit zurückblicken, in der er dafür sorgte, dass 21 Hektar „kostbaren Ackerlands“ zu Gewerbegebieten umgewandelt wurden. Er kann also auf eine Tätigkeit zurückblicken, in der er als Bürgermeister dafür verantwortlich ist, dass eine Fläche im Umfang von annähernd 70 Fußballfeldern in seiner Gemeinde versiegelt wurde. Als Mitglied im Regionalverband hatte er auch keine Einwände gegen die 196 Hektar Kiesabbau in der Gemeinde Ostrach.
Macht man hier also den Bock zum Gärtner? Das würde bedeuten, dass man einen völlig Ungeeigneten mit einer Aufgabe betraut. Zertrampelt doch der Ziegenbock alle Beete im Garten, hier das Naturschutzzentrum. Das dürfte wohl kaum der Fall sein.
Aber der Gesinnungswandel ist mehr als auffällig. Also doch Saulus zu Paulus? Der Flächenversiegler wird zum eifrigen Befürworter des Natur- und Landschaftsschutzes? Gilt hier im übertragenen Sinne die Ermahnung Paulus‘ im Kolosserbrief: „Ihr habt doch den alten Menschen samt seinem ganzen Tun ausgezogen und habt den neuen Menschen angezogen, der erneuert ist zur vollen Erkenntnis…“ Volle Erkenntnis?
Aber wie endet doch gleich Brechts Theaterstück Der gute Mensch von Sezuan?
„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
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